Angela Merkel

Eine E-Mail von meiner Mutter hat mich darauf gebracht, mal etwas über Angela Merkel zu schreiben. Ich bin ein Fan, bin kein Fan, bin überrascht, das in jedem Fall; für jemanden, der sich intensiv mit Politik beschäftigt, jedenfalls eine gute Frage, inwiefern man sich für das aktuelle Staatsoberhaupt erwärmen kann, gerade, wo es jemand von der CDU ist, und ich bin so gar nicht mit einer CDU-nahen Einstellung aufgewachsen.

Ich habe damals erstmal angefangen, mich ein bisschen mit ihr zu beschäftigen, das war zu Beginn ihrer Amtszeit. Da hatte ich noch nicht so viel mit Politik zu tun, aber es war ja mal ganz interessant. Damals war noch die Zeit, in der sie erstmal auftreten lernen musste und angefangen hat, sich anders zu kleiden und viel präsenter in der Öffentlichkeit zu sein. Sie galt als Enkel Helmut Kohls und alle haben erstmal behauptet, sie würde keine Politik mit einer sehr eigenen Handschrift machen, oder, dass sie eben vor anderen Staatsführern kuschen würde, wie bei dem Besuch von George W. Bush noch vor Beginn ihrer Amtszeit. Nach der Wahl von Obama 2008, als mein politisches Interesse nochmal einen Sprung gemacht hat, habe ich nochmal genauer hingesehen und erstmal anerkannt, dass sie also genauso Politik macht wie jeder andere Staatsführer auch und erstmal dem Tagesgeschäft verpflichtet ist, dass man alle Staatsführer gleich beurteilen und einfach über die Politik diskutieren kann, unabhängig von der Partei. Damals habe ich mir erstmal bewusst gemacht, dass sie aus der DDR kommt, sich in der Partei hochgedient hat, dass sie als Frau eine besondere Rolle einnimmt und schon kam die Finanzkrise und Angela Merkel brillierte als Europa-Politikerin inmitten der vielen Länder, als Schlichterin und als Diskutierende zwischen so zerstrittenen und uneinigen oder einfach so verschiedenen Ländern. Damals hat man gemerkt, wie eigensinnig sie ist, finde ich, da konnte sie zum ersten Mal ihre Stärken ausspielen und zeigen, dass sie immer eine eigene Handschrift hatte. Sie ist eine richtige Europäerin, die an Europa glaubte, die Stärken Europas hervorbrachte und in den vielen Diskussionen half. Es hieß in den Vorwürfen, sie hätte sich zu sehr auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, sie hätte viel mehr tun können usw. Ich weiß nicht, ob das die Wahrheit ist, und ob Gerhard Schröder etwa diese Krise genauso gemeistert hätte.

Das ist eben der Unterschied zwischen Progressiven und Konservativen, sagt Barack Obama, so wie ich ihn verstehe, die Progressiven initiieren neue politische Projekte und suchen die Veränderung, die Konservativen gehen anders damit um und sagen, dass die Veränderung schon von selbst kommt, es sei anspruchsvoll genug, Politik einfach zu begleiten. Angela Merkel begleitet dauernd, andere Politiker, andere Institutionen, andere Länder, es ist eine andere Vorstellung von Politik. Wenn man jung und unvoreingenommen ist, darf man fragen, ob etwas daran falsch ist, nur weil sie anderer Meinung ist. Dazu gleich mehr. In der Finanzkrise hat man es jedenfalls gut genug gesehen, dass sie bereits schlichtend aufgetreten ist und die Veränderung nahm, wie sie kam. Welche Wahl hatte sie schon?

Jetzt sind es 12 ganze Jahre, in denen sie Politik gemacht hat und so langsam kann man also andere Urteile aussprechen und Fragen stellen. Das Begleiten zieht sich wie eine Linie durch die Jahre, aber die Frage nach dem Willen zur Veränderung sollte noch öfter aufkommen. Ein anderes Beispiel sind die Kernkraftwerke. Angela Merkel sei einmal sehr grün gewesen, sagt meine Mutter. Aber anstatt sich bei den Alternativen mehr oder weniger zu verzetteln, ist sie den geraden Weg zu Macht und Einfluss und viel reeller Politik gegangen und hat sich durchgesetzt. Von den Grünen wusste sie, dass da ewig Warnende und Mahnende waren, die schon immer Angst vor AKWs gehabt haben. Sie hatte das alles ignoriert und war aus dem Atomausstieg wieder ausgestiegen, aber das war eben die Parteilinie. Die Atom-Lobby war stark, die Argumente sind ja nicht falsch, dass die deutschen Atomkraftwerke sehr sicher sein dürften, so gut wie unsere Ingenieure sind und dass ein Teil der Energieversorgung so nun einmal sicher gestellt ist. Nach Fukushima hörte sie auf die langen Warnungen der Grünen und änderte ihre Politik, die deutschen AKWs sind heute fast alle aus, in ein paar Jahren endet die Laufzeit der letzten deutschen Meiler. Sie hat die Veränderungen eben mal wieder begleitet, ihr politisches Wissen ausgespielt, sich als Deutsche benommen, die mit gutem Beispiel vorangeht.

So geht es weiter… Abgesehen davon, deutsche Gedanken im Zuge der Finanzkrise durch Europa zu verteilen, war das innerdeutsche Management der Krise recht stark. Die Deutschen haben auf die Empfehlungen der Amerikaner gehört und viel Geld investiert, es gab mehrere Investitionspakete, außerdem mussten auch in Deutschland Unternehmen gerettet und unterstützt werden. Die Arbeitslosigkeit ist in Deutschland nicht in die Höhe geschnellt, sie ist heute auf einem 20-Jahres-Tief. An dieser Stelle sei vermerkt, dass – ich denke, einfach probeweise – unter Merkel eben versucht wurde, einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen, ohne Neuverschuldung. Auch das ist gelungen, es wurde vernünftig investiert, mit viel Sorgfalt und der Haushaltsdisziplin der Konservativen und schon macht Deutschland Überschüsse, die in der Flüchtlingskrise gut zu gebrauchen sind.

Als letztes ist eben die Flüchtlingskrise zu nennen und hierfür wurde sie viel gelobt, auch wenn sie zugibt, dass die Entscheidung eine Menge Schwierigkeiten bietet. So macht sie aus Deutschland ein kleines Einwanderungsland, vielleicht nicht gerade die nachgesagten „europäischen USA“, wohl aber ein Land mit geringer Ausländerfeindlichkeit und großer Akzeptanz fremder Herkunft, Kultur, Sprache und Religion.

Im Übrigen gibt es viele besondere Geschichten, und man kann der CDU bei inneren Reformen zusehen, Roland Koch ist nicht mehr so aktiv und auch andere Politiker, denen das SPD-Lager Hau-Ruck-Politik nachsagte, sind nicht mehr so sehr in der CDU präsent. Es wurde viel gesagt, auch, dass Angela Merkel alle anderen Kanzlerkandidaten systematisch ausgeschaltet hätte, so hätten die Basta-Menschen die CDU verlassen. Da steckt viel Parteienpolitik und Machtgehabe dahinter und man kann hinterfragen, inwiefern das wirklich wahr ist. Jedenfalls hat sie Christian Wulff als Präsidenten nominiert, niemanden sonst, und ihn so ausgezeichnet. Heute versteht sie sich mit Gauck recht gut. Sie hat mit Guttenberg und Kristina Schröder auch jüngere Politiker unterstützt. Sie unterstützt Ursula von der Leyen, die immer so viel bewegt wie sie kann und offenbar unter den Ministerien fast jedes Amt zu versehen in der Lage ist. Sie steht natürlich für ein neues Frauenbild in der CDU. Ich finde, man merkt nicht unbedingt, dass sie aus dem Osten kommt. Sie ist rebellisch und unparteiisch, analytisch und klug, sie steht über den Dingen und ist direkt und stark, das Auftreten ist geschickt, die Rhetorik ist oft scharf, etwas zurückhaltend vielleicht. Sie weiß die Partei hinter sich zu einigen und hat sie nicht gegen sich aufgebracht. Für das Verschwinden der FDP ist sie nicht verantwortlich, eher für deren Unterstützung.

Ich dachte immer, in einer Demokratie wechseln sich progressiv und konservativ nun einmal ab, einige Jahre so, dann wieder so, aus vielen Gründen. Grundsätzlich müssen die gemachten Veränderungen, wie die Agenda 2010 unter Schröder, oder seine neuen Ansätze in der Außenpolitik wie das „Nein“ zum Irakkrieg erst einmal wirken. In der Zeit, die dann kommt, wird die Politik eben konservativ, Politik ohne Veränderungen gibt es sowieso nicht. Im Übrigen stehen die Konservativen eben für ihre Disziplin, was in Haushaltsfragen oder im Umgang mit Menschen wirklich sehr angenehm sein kann.

Wenn man Barack Obamas Gedanken richtig auslegt, denkt man viel über Überparteilichkeit nach und fragt, was eigentlich dagegen spricht. Im ersten Schritt bedeutet es wohl immer, eine reelle, realpolitische Auseinandersetzung mit der anderen Partei, ein Annehmen der Menschen als Menschen, ein Zurückstecken der eigenen Meinungen und ein echtes Betrachten der Ereignisse, die sich dann abspielen. Das ist schon möglich, aber es ist auch neu.

https://youtu.be/WfM0LohK5LQ

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