Flüchtlinge aus heutiger Sicht

So langsam schleicht sich das Sommerloch auch im Blog ein. Ich weiß gar nicht richtig, worüber ich schreiben soll. Natürlich geben die Nachrichten doch eine Menge Themen her – aber welches gehört hier hin? Zu welchem wurde nicht bereits genug gesagt? Ich habe kurz überlegt, etwas über die Olympiade zu schreiben. Vielleicht ja kurz. Also, es ist schon so eine besondere Idee aus dem 20. Jahrhundert, die neuen technischen Möglichkeiten dazu zu nutzen, eine Olympiade zu veranstalten – mit neuem Konzept. Durch das Fliegen können Sportler aus allen Ländern anreisen und gegeneinander antreten, die Länder stehen dann im Wettbewerb miteinander und man kann mitansehen, wer die meisten Medaillen einheimst. Es ist ein neues Phänomen, eine neue Idee, die jetzt eben schon seit hundert Jahren ausprobiert wird. Mit bemerkenswerten Folgen… Für Sportler ist es schon ein Höhepunkt, zur Olympiade zu kommen, sie sehen die Zeit als größte Krönung ihres Erfolges an und es gibt viele besondere Olympia-Geschichten – da werden Weltrekorde gebrochen, es gibt den Menschen, der über 20 Medaillen gewonnen hat, es gibt einen eigenen Marathon, eine eigene Radtour, und ständig wird etwas modernisiert und verändert, wie das BMX-Fahren in diesem Jahr. Die Olympiade wird, etwas eigenartig, nur von jungen Leuten bestritten, kaum einer ist so alt wie ich, die wenigen, die es sind, werden dauernd nach dem Karriereende gefragt. Das sind so einige Gedanken, ich gucke ja eigentlich nie Sport, aber es auf dem Niveau anzusehen ist schon großartig, da bekommt man viel Qualität geboten.

Über die Flüchtlinge wollte ich noch etwas schreiben, hauptsächlich über die Flüchtlinge. Jetzt ist ein Jahr vergangen. So weit ich mich erinnere, habe ich diesen Blog sogar mit einem Beitrag über die Flüchtlinge eröffnet (oder es war einer der ersten). Jetzt ist so viel Zeit vergangen und die halbe Welt hat sich zu Wort gemeldet – das Time Magazine hat Angela Merkel zur Person des Jahres gewählt, gleichsam greift Donald trump Merkel an, beides wegen des Handlings der Flüchtlingskrise. Mittlerweile jährt sich die Krise zum ersten Mal und man kann kaum glauben, dass es gewissermaßen eine Million neue Bewohner in Deutschland gibt, neue Nachbarn, Menschen aus Ländern, die verschiedener nicht sein könnten, die kein Deutsch sprechen, die zumindest teilweise nicht die beste Schulbildung haben, oft Moslems und nicht Christen sind und sich in einer Weise kleiden, die uns verwirrt. Was ist nochmal passiert? Obama entschied, sich in Syrien nicht einzumischen. Er, der Friedensnobelpreisträger, fand, vielleicht nach den Fehlern in Lybien, dass er eben nicht in einem fremden Land intervenieren wird, kein Militär, keinen selbst begonnenen Krieg, nicht der Versuch, die Regierung zu stürzen, kein Aufrüsten der Rebellen, nur ein friedvolles Unterstützen all dessen, was in jenem Land geschah. Das Ergebnis sind 400.000 Tote und viele Millionen Flüchtlinge. Diesem Flüchtlingszug haben sich Menschen anderer Länder angeschlossen, wie Afghanistan, die ebenfalls fliehen wollten und so begann die große Flucht – man war konsequent und dachte, am Besten ließe man sich in den Industrienationen nieder, nicht in der Türkei, nicht in instabilen Nachbarländern, nein, die Menschen wollten nach Europa.

Ich weiß noch, als die ersten Flüchtlinge in München am Bahnhof eintrafen, riefen ihnen junge Menschen zu, applaudierten, öffneten gewissermaßen von sich aus die Grenzen und beglückwünschten die Flüchtlinge zur erfolgreichen Flucht. Schon damals habe ich mich gefragt, wie es wohl wäre, einem echten Flüchtling zu begegnen, ihm im Gespräch zu begegnen, mit ihm reden zu können, seine Gedanken zu hören. Wie redet man mit jemandem, der gerade einen echten Krieg erlebt hat? Massenvernichtung? Den Einsatz von ABC-Waffen? Eine Regierung außer Kontrolle und ohne Regulierung und Korrektiv von außen? Wie begegnet man so jemandem also? Ich hätte einfach einen Job bei Projekten wie Teachers on the Road annehmen können und mehr das Gespräch suchen können. Dazu bin ich vielleicht zu theoretisch, ich habe mir das immer nur vorgestellt, aber die Versuchung war groß, sich selbst zu engagieren. So ein Gespräch ist also nie zu Stande gekommen – was, wenn es gar nicht möglich war? Was soll man schon dazu sagen. Solche Erlebnisse traumatisieren, verändern die Psyche irgendwie, bringen Menschen sicher auch dazu, zu verzichten, sich in Demut dem Leben gegenüber zu üben, aber auch, sich auf ein einfaches Leben einzustellen – erst die Kinder, ein glückliches Aufwachsen vorausgesetzt -, hinterfragen dann richtig rigoros, was richtig und falsch ist, sie haben dann viel aufzuarbeiten und sich da heraus zu lösen. So stelle ich mir solche Familien vor und denke dabei ein wenig an meine Eltern, die von Krieg und Nachkriegszeit, von DDR und Flucht durchaus noch geprägt sind. Und die uns immer wieder gesagt und gezeigt haben, wie anders als sie wir aufwachsen und dass sie viele unserer Probleme nicht verstehen, weil es einfache Themen sind, leicht zu lösen, einfach zu diskutieren und völlig überschaubar – aber für uns waren es Probleme und Themen. So scheiden sich die Geister…

Das zum einzelnen Flüchtling. Wie geht es weiter? Wird die AfD wieder eingehen? Wird Trump letztlich irgendwie wegen des Syrien-Konflikts gewählt? Bemerken wir in Zukunft sehr deutlich, dass man beim Bäcker, in der Schule, auf Ämtern, beim Zahnarzt, bei der Arbeit, an allen öffentlichen Stellen des Lebens eben diesen Flüchtlingen begegnet, die ihre Heimat hinter sich ließen, um hier ein neues Leben aufzubauen? Irgendwann können alle gut deutsch, und die Kinder wieder sehr gut, weil es ihre Muttersprache wird. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, und einen Teil des Weges haben wir ja schon zurückgelegt. Die Politik hat eingegriffen, das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration wurde verändert, hat neues Personal eingestellt, hunderttausende Anträge wurden bereits bearbeitet und so wurde oft Asyl gewärt, das Bamf hat jetzt sogar eine neue Chefin. Den Ländern wurde Geld zur Verfügung gestellt, Geld pro Jahr und pro Flüchtling, damit diese neue Möglichkeiten schaffen können. Die Politik hat also den Sachverhalt registriert und darauf reagiert, was sonst, und nicht nur mit Worten. Die freie Wirtschaft zieht angeblich noch nicht nach und hat nicht dezidiert Flüchtlinge eingestellt, wie man es so oft erhofft hat, offenbar bewerben sich diese bislang auf gewöhnlichen Wegen und nicht so sehr als eben diese Flüchtlinge dieser Zeit – und fallen daher auch nicht so auf und können nicht einzeln einsortiert werden. Da kommt die Reaktion erst noch.

Und sonst? Sind wir als Nation jetzt traumatisiert? Schaffen wir es denn, damit zu leben? Die zwei üblichsten Einwände sind einerseits, dass auf hundert Menschen etwa ein Flüchtling kommt, man also nicht von einer Menschenschwemme reden kann, wir werden nicht von Flüchtlingen überfallen, sie sind einfach nur da und werden bemerkt. Andererseits sagt man, dass Deutschland schon oft mit Flüchtlingen, mit Migrationswellen zu ringen hatte, seit dem zweiten Weltkrieg, das wurde kürzlich in der Kirche recht detailliert aufgeschlüsselt. Immer wieder kamen Menschen zu uns, so ist das moderne Deutschland eben entstanden, mit mehreren Millionen Türken, Menschen aus allen zweihundert Ländern, auch vielen Griechen, Menschen in Bewegung, die das Neue gesucht haben. Beide Argumente sind eigentlich ganz gut und haben etwas für sich. Ich finde nicht, dass das Trauma zu tief sitzt, aber es gibt eine offene Diskussion darüber. Ich habe zwischenzeitlich, ich weiß nicht, ob das ganz am Anfang war, mal argumentiert, dass Angela Merkel ja wusste, dass es in Deutschland Ausländerfeindlichkeit gibt, die sicher bald hervor kommen würde. Das haben wir erlebt, eine Partei um diese Idee herum wurde erfolgreich und belästigt jetzt Landtage und Städten im ganzen Land. Es ist wie eine Diskussion. Ein Teil der Menschen wird seine Ressentiments beiseite legen müssen.
Was ist ein Ausländerfeind? Das ist schon jemand, der damit eben nicht zurecht kommt. Das muss kein unglücklicher Mensch am Rande der Gesellschaft sein, auch das können unsere Nachbarn und Arbeitskollegen sein, Menschen, die möglicherweise politisch engagiert oder gesellschaftlich aktiv sind. Auch aufgeklärte Menschen können Schwierigkeiten mit Ausländern haben. In ihrer Bestürzung haben sie schnell rechts gewählt, und die AfD ist schnell dabei gewesen, am rechten Rand Wählerstimmen zu fischen, da, wo sie derzeit eben auch zu finden sind.

Ich persönlich habe das alles ganz anders gesehen, denke ich. Es war einfach eine Riesenchance für Angela Merkel, die Flüchtlinge jetzt zu unterstützen – um es mit ihr zu sagen, vielleicht sogar eine Chance, mit wehenden Fahnen unterzugehen und dabei echten Humanismus gezeigt zu haben. Meine Eltern sagen, jetzt sind die Flüchtlinge da, wir können die demographischen Probleme im Zusammenhang mit der Bevölkerungspyramide bekämpfen und dass wir nett zu diesen Leuten sein soll, sie haben ja wirklich etwas hinter sich. Aber der Papst ergänzt, dass es in der Menschheitsgeschichte schon immer Flüchtlingsströme gegeben hat, -bewegungen gegeben hat. Es war eine Riesen-Chance, noch einmal eine der Geschichten der modernen CDU zu erzählen, finde ich. Man konnte einfach mal zeigen, dass man diesen hilflosen und völlig verwirrten Menschen zur Hilfe eilen kann – nicht zuletzt sind wir eines der glücklichsten Länder der Welt, eines der reichsten Länder der Erde, eine der großartigsten Nationen, die es gibt. Wir lieben zwar unsere Probleme und unsere kleinen Streitereien, aber in Deutschland geht es den Menschen wirklich gut. Es ist einfach eine der Großtaten Merkels geworden, die Menschen hier tatsächlich willkommen zu heißen und dazu zu stehen, dass wir als Land so etwas leisten können.

Der letzte ist insofern ein wenig in Richtung des amerikanischen Präsidenten gerichtet. Unmittelbar trägt er nicht die Konsequenzen seiner Handlungen, seines Nichteinmischens. Ich als Mensch, als Deutscher, wir als Deutsche tragen diese Konsequenzen, wir begrüßen neue Nachbarn zwischen uns, neue Deutsche, neue Bewohner unseres Landes, die aus ihren Ländern geflohen sind. Wir schultern die wirtschaftliche Komponente, Kosten, die es durchaus gibt, aber wir können das neuerdings aus unseren Überschüssen finanzieren. So etwas wird sich Merkel auch gedacht haben, jetzt sind eben wir dran…

Bei den Olympischen Spielen gibt es diesmal ein Team mit Flüchtlingen.

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